Spielen mit Eltern

„Wie? Du spielst auch mit den Eltern??? Das ginge mit meinen Eltern auf gar keinen Fall!“

Oder

„Die Eltern wollen beim Elternabend Infos und keine Spiele!“

Das waren ganz oft die ersten Reaktionen, wenn wir das Thema „Spielen mit Eltern“ bei unseren Fortbildungen zur Piratenreise angesprochen haben. Und auch in Social Media wird das Thema oft ziemlich kontrovers diskutiert.

Ich wollte schon lange mal einen Blogbeitrag dazu schreiben, wie wir die Elternarbeit im Zuge unserer Vorschularbeit gestalten und vor allem, warum wir das so machen. Heute mache ich das endlich. Los geht’s.

Dazu vorneweg: Mir ist die Elternarbeit total wichtig ❤️.

Ich bin überzeugt davon, dass es sich lohnt in eine intensive Elternarbeit zu investieren. Denn das kostet natürlich erstmal Zeit und bedeutet Aufwand. Aber ich bekomme auch viel dafür.

Denn wenn ich die Eltern im Boot habe, bringt das vor allem zwei wichtige Vorteile:

1. Die Eltern tragen aktiv zur Unterstützung ihrer Kinder bei. Nämlich weil sie aufgrund meiner Informationen nicht nur wissen

👉 WELCHE Fähigkeiten und Kompetenzen wichtig sind, um ihre Kinder für die Schule (und das Leben überhaupt) zu stärken und
👉 WARUM es wichtig ist, dass auch sie ihr Kind aktiv unterstützen,
sondern auch
👉 WIE sie das konkret tun können.

→ Auf diese Weise werden die Kinder noch besser gestärkt, denn die Eltern und ich ziehen nun am selben Strang.

2. Das entlastet mich! Denn ich muss die Vorschulförderung nicht mehr alleine wuppen, sondern habe die Eltern als kompetente Expert*innen an meiner Seite.

Ich sehe die Eltern grundsätzlich als Expert*innen für Ihr Kind, denn sie kennen ihr Kind am besten. Wenn diese Eltern auch noch gut darüber Bescheid wissen, was es braucht, damit ihr Kind gut in der Schule klar kommt (sowohl im Lernen als auch im sozialen und emotionalen Bereich), sind wir echt ein super Team. 🤝🙌👍

Die große Frage ist dann natürlich: Wie bekomme ich die Eltern ins Boot? Wie schaffe ich eine Verständnisgrundlage für das, was ich ihnen gern an (leicht verständlich formuliertem) theoretischem Input mitgeben möchte, damit auch die Eltern ihr Kind ohne besonderen Aufwand, sondern spielerisch und in den Familien-Alltag integriert unterstützen können?

Und da komme ich zum Ausgangspunkt zurück: Mit Spielen! 😊

Ich geb‘ mal ein Beispiel:

Immer wenn ich die Eltern meiner neuen Vorschulkinder zu Beginn des Vorschuljahres zum Infoabend einlade, um ihnen die Piratenreise vorzustellen, spiele ich mit den Eltern ein Spiel, „Die heiße Kartoffel“.

Allein meine Ankündigung sorgt natürlich erstmal für einige verunsicherte Mienen und manchen entsetzten Gesichtsausdruck 😱. Und das kann ich auch sehr gut verstehen! Darum sage ich auch immer dazu, dass niemand der/die nicht möchte, das Spiel mitspielen muss! Dass es sich aber lohnt, weil ich ihnen damit etwas veranschaulichen möchte 😊.

Dann erkläre ich das Spiel, das im Grunde ganz einfach ist: Alle Eltern stellen sich in einen Kreis. Ich habe einen Gegenstand dabei, z.B. einen großen Schaumstoffwürfel oder ein Kissen. Das ist die „heiße Kartoffel“. Die soll nun von einem*r zum*r anderen im Kreis weitergegeben werden – und zwar immer an den/die linke*n Nachbar*in. Allerdings erst nachdem diese*r mit dem Namen angesprochen wurde. Weil die heiße Kartoffel so heiß ist, muss das ziemlich schnell gehen, man darf sie immer nur kurz anfassen. Ich sage also z.B. zu meinem linken Nachbarn „Thomas!“ und gebe die heiße Kartoffel weiter. Dieser sagt „Kathrin!“ und gibt sie weiter, diese sagt „Evrim!“ usw.

Schon allein diese erste Runde bringt oft viel befreiendes Gelächter 😂, weil es fast immer so ist, dass die Kartoffel mal runter fällt oder jemand den Namen des Nachbarn nicht weiß usw.

Nach dieser ersten Runde arbeite ich mit den Eltern gemeinsam auf: Was steckt denn eigentlich drin in diesem einfachen Spiel 🤔? Welche Fähigkeiten muss man haben, um es zu spielen 🧐? Da haben die Eltern immer viele Ideen: Koordination, Aufmerksamkeit, Hören und Verstehen, …

Dann spielen wir eine zweite Runde. Diesmal gebe ich nach einer Weile eine zweite „heiße Kartoffel“ dazu. Eine, die sich in Form und Beschaffenheit deutlich von der ersten unterscheidet. Z.B. einen Igelball oder sowas.

Auch nach dieser Runde arbeiten wir gemeinsam auf: Was ist dazu gekommen? 🤔 Was muss man eigentlich alles leisten 🧐? Hier fallen den Eltern oft Kraftdosierung und Feinsteuerung noch stärker auf (auch wenn sie das natürlich oft in einfacheren Worten benennen). Weil beide Gegenstände ja so unterschiedlich beschaffen sind.

Ich frage die Eltern dann auch immer, ob ihnen Situationen in der Schule einfallen, in denen die Kinder ebenfalls eine gute Kraftdosierung und Feinsteuerung brauchen. Da wurde bis jetzt fast immer das Schreiben genannt. Wenn nicht, werfe ich selbst dieses Beispiel ein und beschreibe nochmal kurz, wie herausfordernd es eigentlich ist, die Kraft beim Halten eines Stiftes ✍️ so genau zu dosieren und Hand und Finger dann so zu steuern, dass diese feinsten Linien und Bögen auf dem Papier entstehen (das Schreiben ist die feinste Koordinationsleistung des Menschen! 😲).

Wir machen dann noch eine 3. Runde, wieder mit einer Steigerung: Diesmal sollen alle kreuz und quer durch den Raum laufen. Die „heißen Kartoffeln“ sollen aber trotzdem in der bisherigen Reihenfolge von Person zu Person wandern.

Das ist immer total lustig und spätestens jetzt ist der Damm gebrochen und es wird viel gelacht, wenn die heiße Kartoffel über mehrere Köpfe hinweg durch den Raum fliegt, runter fällt, oder Leute zusammenstoßen. 😂🤣😂🤣

Die Aufarbeitung 🤔🧐 dieser letzten Runde ist auch immer total spannend. Denn jetzt kommen noch einige sehr interessante Fähigkeiten hinzu: Z.B. sich im Raum orientieren, Bewegungen abrupt abstoppen bzw. die eigenen Bewegungen anpassen (sonst würde man ständig mit anderen zusammenstoßen).
Oder auch z.B. die Fähigkeit, die Stimme meines vormaligen linken Nachbars aus dem Geräuschewirrwarr herauszufiltern, wenn er meinen Namen ruft um mir die heiße Kartoffel zuzuwerfen.

Eine Fähigkeit, die in der Schule total wichtig ist! Im Klassenraum ist es ja keineswegs still! Da wird getuschelt, ein Stuhl geräuschvoll über den Boden geschoben, Papier raschelt, ein Stift fällt herunter… Aus diesem Geräuschteppich die Stimme der Lehrerin gut heraushören zu können, ist keine Selbstverständlichkeit!

Nach dem Spiel und bei dieser gemeinsamen Aufarbeitung sehe ich in den Gesichtern der Eltern oft einige Aha-Momente💡🤓🤩

Und die sind so wichtig!

Denn wenn ich etwas selbst erkannt habe – durch eine Selbsterfahrung und die anschließende Reflexion – wird das wirklich nachhaltig im Gehirn verankert ⚓️💾!

Und auch mit einer Emotion ✨verbunden! Denn Aha-Momente fühlen sich einfach toll an (da passiert auch hormonell einiges in unserem Körper).

Wenn ich dann im Anschluss mit den Eltern unser „Haus der Schulfähigkeit“ 🏠 erarbeite (mit den wichtigsten Basisfähigkeiten für die Schule als Bausteinen), haben die Eltern immer ganz viele Ideen. Und wenn ich im zweiten Teil noch die Piratenreise vorstelle, habe ich die Eltern längst auf meiner Seite. Dass die Piratenreise so spielerisch und in Bewegung gestaltet ist, findet dann niemand mehr komisch.🙂

Meiner Erfahrung nach verbinden viele Eltern mit der „Vorschule“ erst einmal (und erwarten davon auch), dass wir mit den Kindern am Tisch arbeiten, damit sie sich „schon mal ein bisschen an das viele Sitzen gewöhnen“ 🪑. Und dass wir stapelweise Arbeitsblätter durcharbeiten, auf dem die Kinder dann schon erste Buchstaben schreiben oder Mengen einkreisen… 🗒✏️

Ihnen ist oft gar nicht bewusst, wie viel Förderung in Spielen und Bewegungsangeboten liegt!

Und genau deshalb finde ich es so hilfreich, auch mit den Eltern zu spielen. Und danach mit ihnen aufzuarbeiten! Dann verstehen sie auch, dass es gar nicht nötig ist, für ihre Kinder stapelweise Vorschulhefte und -blöcke zu kaufen, und dass sie ihr Kind im Alltag ganz niedrigschwellig stärken können👍

Eigentlich fallen mir noch viel mehr Gründe ein, weshalb es sich lohnt, bei Elternabenden auch mit den Eltern zu spielen. Aber jetzt ist dieser Beitrag schon so lang geworden, dass ich es mal lieber so stehen lasse… 🙂

Fall Lust hast auf noch mehr Input zu diesem Thema:
Julia und ich haben neulich eine Podcast-Folge dazu aufgenommen. Es ist Folge 19 mit dem Titel „6 Gründe, warum wir auch mit den Eltern spielen“.
Du findest sie unter dem Stichwort „Piratenreise“ bei Spotify & Co oder auch direkt hier auf unserer Website: