Hintergrund
Phonologische Bewusstheit als wichtige Vorläuferfähigkeit für den Schriftspracherwerb
Hase, Nase, Vase – die Fähigkeit, Reime zu erkennen und zu benennen, entwickelt sich bereits um das vierte bis fünfte Lebensjahr.
Auch das Erkennen der Silbenstruktur von Wörtern gelingt Kindern in diesem Alter bereits – spielerisch erfahren sie, dass sich Wörter in „Robotersprache“ sprechen lassen, d.h. dass sie in Silben geklatscht werden können. Das Erkennen von Reimen und Silben geschieht noch unbewusst und ohne explizite Einsicht in die Lautstruktur der Sprache. Etwa ab dem sechsten und siebten Lebensjahr entwickeln die Kinder die Fähigkeit, das ganze Wort bewusst hinsichtlich seiner Lautstruktur zu untersuchen: die sogenannte Phonem-Segmentationsfähigkeit (Lautanalysefähigkeit) differenziert sich immer weiter aus. (vgl. Barth, Lernschwächen früh erkennen, S. 111)
Heute weiß man durch viele Untersuchungen, „dass die Fähigkeit zur Silbensegmentierung und das Reimwörter Erkennen von fundamentaler Bedeutung für die Entwicklung der späteren Lese- und Rechtschreibkompetenz von Kindern sind.“ (Barth, S. 111). Eine Studie von Schneider/Näslund (1992) stellte fest, dass die im Kindergarten erhobenen Maße der phonologischen Bewusstheit eine große Vorhersagekraft für die spätere Lese-/Rechtschreibkompetenz besitzen (vgl. Barth, S.126 ff.) – kurz: wer schon im Kindergartenalter über eine gute Grundlage im Bereich phonologische Bewusstheit verfügt, hat es beim Lesen- und Schreibenlernen leichter. Die Studie belegte zudem, dass der Einfluss der verbalen Intelligenz auf die Rechtschreibleistung eher gering und die Entwicklung von Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten unabhängig von der Intelligenz ist, d.h. sowohl hochbegabte, gut und weniger gut begabte Kinder können später eine LRS entwickeln. Umgekehrt gibt es auch geringer begabte Kinder, die gut lesen und schreiben können. Außerdem zeigte die Studie einen bedeutenden Zusammenhang zwischen dem Arbeitsgedächtnis (auditives Kurzzeitgedächtnis) und der phonologischen Bewusstheit. Beide Faktoren wirken sich stark auf die späteren Lese- und Rechtschreibleistungen aus.
Natürlich sind auch noch andere Fähigkeiten für das Lesen und Schreiben von Bedeutung, z.B. Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit, visuelle Wahrnehmung, Tonus, Feinmotorik und Koordination. Dementsprechend können Schwierigkeiten in diesen Bereichen als Risikofaktoren angesehen werden. Die phonologische Bewusstheit jedoch scheint eine besonders wichtige Grundlage für den Schriftspracherwerb zu sein – für das Erlernen der sogenannten alphabetischen Stratgie (lauttreues Lesen und Schreiben) ist eine gute Lautanalysefähigkeit unverzichtbar.
Vor diesem Hintergrund erscheint es besonders wichtig, die phonologische Bewusstheit früh zu fördern und Kinder mit Schwierigkeiten in ihren Teilbereichen rechtzeitig gezielt zu unterstützen. Eine spielerische Förderung lässt sich leicht im Kita-Alltag umsetzen. So lassen sich Lausch- und Reimspiele z.B. gut in den Morgenkreis integrieren und machen auch schon kleineren Kindern Spaß. Der Einkauf aus dem Kaufmannsladen kann auch einmal nach Silbenanzahl sortiert werden und am Ende des Tages können die Spielsachen nach Anlauten aufgeräumt werden. Es gibt inzwischen zahlreiche Bücher mit Spielideen zur Förderung der phonologischen Bewusstheit, hier eine kleine Auswahl:
- „Laute spüren – Reime rühren. Spiele zur phonologischen Bewusstheit“, M. Mondschein, Don Bosco, 2010
- „Phonologische Bewusstheit – Grundlagen und mehr als 80 Spiele“, N. Bruske-Klein/S. Seggewiß, Don Bosco, 2014
- „Zehn zahme Zebras: Im Kindergarten phonologische Bewusstheit entwickeln“, G. Sennlaub, Beltz, 2011
Inzwischen gibt es auch Förderprogramme zur Förderung der phonologischen Bewusstheit, z.B.:
- „Hören, Lauschen, Lernen. Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter“, P. Küspert/W. Schneider, Vandenhoeck und Ruprecht, 1999
- „Förderung der phonologischen Bewusstheit und sprachlicher Kompetenzen: Das Lobo-Kindergartenprogramm“, L.P. Fröhlich/D. Metz, Hogrefe 2010