„Ja, die Ohren wurden schon untersucht – der Arzt hat gesagt, sie funktionieren einwandfrei!“
Viele Eltern sind überrascht, wenn sie die Empfehlung erhalten, ihr Kind bei einem Pädaudiologen untersuchen zu lassen – hieß es doch bei der letzten ohrenärztlichen Untersuchung, ihr Kind höre gut. Vielleicht ist ihnen jedoch im Alltag schon öfter aufgefallen, dass ihr Kind in Situationen mit einem hohen Geräuschaufkommen gestresst reagiert, einem Gespräch mit Hintergrundgeräuschen nur schwer folgen kann, häufig nachfragt oder Schwierigkeiten hat, die Richtung, aus der ein Geräusch oder eine Stimme ertönt, zu bestimmen.
Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) werden leider oft spät erkannt, denn in der Regel wird bei Höruntersuchungen nur die Funktionsfähigkeit des Sinnesorgans „Ohr“ untersucht. Doch das Hören hat zwei Seiten – die Aufnahme der akustischen Sinnesreize über das Sinnesorgan und die Verarbeitung der eingehenden Informationen im Gehirn. Es genügt also nicht, dass ein Kind die auditiven Reize aufnehmen kann – es muss die eingehenden Informationen auch verwerten können, z.B. das Gehörte filtern (bspw. den Klang einer Stimme aus einer komplexen Geräuschkulisse herauslösen), die auditiven Reize zwischenspeichern (auditive Merkfähigkeit) oder ähnlich klingende Laute unterscheiden können (Lautdiskrimination). Kinder mit Schwierigkeiten in diesen Bereichen hören zwar oft durchaus gut, verstehen das Gehörte jedoch nicht richtig.
Die ersten „Inseln“ der Piratenreise bieten viele Möglichkeiten, um die auditive Wahrnehmung und Verarbeitung der Kinder etwas genauer in den Blick zu nehmen. In der 1. Stunde der „Sinne“-Insel mit dem Schwerpunkt „Hören“ gibt es mehrere Spiele, bei denen Teilaspekte der auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung im Vordergrund stehen. „Durch den Nebel“ bspw. ermöglicht Beobachtungen zur auditiven Lokalisation (Richtungshören). Bei der „Zauberflüsterei“ sollen die Kinder Pseudowörter wie „konamilo“ oder „rapikido“ nachsprechen – hierbei sind Beobachtungen zur akustischen Differenzierungsfähigkeit, zur auditiven Merkfähigkeit sowie zur sprachlichen Reproduktionsfähigkeit möglich. Fallen Kinder hier auf, sollte dies weiter im Blick behalten werden. Erhärtet sich ein Verdacht auf Schwierigkeiten im Hören bzw. in der Hörverarbeitung, sollte den Eltern eine Untersuchung auf AVWS bei einem Pädaudiologen empfohlen werden.
Kinder mit AVWS sollten frühstmöglich gezielt unterstützt werden! Denn eine unerkannte AVWS kann sich z.B. auf die Sprachentwicklung des Kindes auswirken und Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb sowie Verhaltensauffälligkeiten nach sich ziehen.
Wurde eine AVWS diagnostiziert, besteht die Möglichkeit einer speziellen logopädischen Therapie. Auch die Eltern und andere wichtige Bezugspersonen sollten gut über die AVWS informiert werden sowie Empfehlungen für eine Unterstützung des Kindes erhalten.
Hier ein paar nützliche Links der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP):
Und noch ein paar Literaturtipps:
- Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsleistungen bei Vorschulkindern. Diagnostik und Therapie (Jutta Burger-Gartner / Dolores Heber, verlag modernes lernen)
- Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) bei Schulkindern. Diagnostik und Therapie (Andreas Nikisch / Dolores Heber / Jutta Burger-Gartner, verlag modernes lernen)
- Hören, lauschen, lernen. Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter. Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache (Petra Küspert / Wolfgang Schneider, Vandenhoeck & Ruprecht)