Jeden Monat beschäftigen Julia und ich uns in unserem Vorschul-Kalender ja mit einem anderen Thema bzw. Fähigkeitsbereich, das/der für den Übergang in die Schule wichtig ist. Im September mit „Aufmerksamkeit und Selbstregulation“.
Darum schreibe ich heute mal einen Blogartikel dazu.🙂
Hast du schon mal von den sogenannten „exekutiven Funktionen“ gehört?
Die werden noch nicht so wahnsinnig lange erforscht, sind aber total spannend! Und sind eine entscheidende Voraussetzung für Aufmerksamkeit und Selbstregulation!
Allmählich taucht der Begriff immer häufiger in der pädagogischen Fachliteratur auf. Meist werden sie als „kognitive Funktionen“ beschrieben, die unser „Denken und Handeln steuern“.
Aber was ist genau damit gemeint? Und lohnt es sich überhaupt, sich damit zu beschäftigen? Was haben sie überhaupt mit unserer Arbeit mit den Kindern zu tun? 🤔
In einer ziemlich interessanten Aufsatzsammlung zum Thema exekutive Funktionen und in einem tollen Buch von Laura Walk und Wiebke Evers hab ich mal die Metapher des „inneren Steuermanns“* entdeckt, die ich sehr hilfreich finde und hier mal zitiere bzw. wiedergebe (als anderer Vergleich wird auch ein Orchester-Dirigent oder eines Regisseur genannt – aber mir persönlich gefällt die des Steuermann/der Steuerfrau besser): Warum wohl? 😅):
Die exekutiven Funktionen sind wie ein innerer Steuermann/eine innere Steuerfrau, der/die uns auf unserem Weg zum Ziel übers Meer navigiert (ich benutze jetzt mal die weibliche Version weiter). 🚢
Die Steuerfrau muss das Ziel 🚩und den Weg dorthin fest im Kopf haben, muss Ablenkungen widerstehen können, das Wetter im Blick behalten, auf Unvorhersehbares reagieren, bei Hindernissen ggf. den Kurs anpassen etc..
Nur so kann sie das Schiff sicher ans Ziel bringen. 👍
Damit hängt eine ganze Menge von der Steuerfrau ab!
Ein super schnelles High-Tech-Boot 🚤 mit einer Steuerfrau, die schon an der ersten verlockenden Insel auf der Route anlegt und vergisst, was eigentlich ihr Ziel war oder die lieber unter Deck mit den Matros*innen Skat spielt oder sich von einem Unwetter oder Klippen überraschen lässt, weil sie weder Wetter- noch Seekarte checkt etc.,
– ein solches, technisch bestens ausgestattete Boot ist keine Garantie für eine erfolgreiche Fahrt und das Erreichen des Ziels.
Denn mit einer Person am Steuer, die sich leicht ablenken lässt, weniger anstrengungsbereit ist und nicht „dranbleibt“, die nicht vorausschauen und bei Unwägbarkeiten flexibel reagieren kann, kann das Boot sein Potential gar nicht richtig entfalten!
D.h. konkret: Ein Mensch mit einem hohen kognitiven Potential (wie bei einer überdurchschnittlichen Intelligenz, bei Hochbegabung), ist nicht automatisch „erfolgreich“. (Damit meine ich jetzt nicht nur im Leistungs-Sinne, sondern auch z.B. im sozialen Bereich, im Miteinander mit anderen Menschen).
Denn wer sein eigenes Denken und Handeln nicht gut steuern und sich nicht gut selbst regulieren kann (d.h. dessen exekutive Funktionen weniger gut arbeiten), steht sich mitunter selbst im Weg und kann sein Möglichkeiten gar nicht voll ausschöpfen. Und kommt im ungünstigsten Fall an seinem Ziel vielleicht gar nicht erst an.
Und andersherum: Ein gemächlicher Kutter ohne High-Speed-Motor kann mit einer gewissenhaften, unbeirrbaren Steuerfrau durchaus sein Ziel erreichen, braucht nur vielleicht etwas länger dafür. Aber hat es geschafft! 💪
Ich mag diese Boots-Metapher* total ❤️!
Denn sie beinhaltet einen aus meiner Sicht ganz entscheidenden Perspektivenwechsel auf die Entwicklung und Förderung von Kindern:
Wie Kinder sich entwickeln, und ob sie in ihrem Lebensalltag erfolgreich sind (wie gesagt: nicht nur im Leistungs-Sinne!), hängt nicht allein an ihrer Intelligenz!
Nicht überraschend? Finde ich auch!
Aber vor gar nicht so langer Zeit wurde das (auch innerhalb der Pädagogik) meist noch anders eingeschätzt. (Zum Glück ist das inzwischen weitgehend überwunden!)
Die Forschung hat inzwischen gezeigt, dass es viele Faktoren gibt, die in Bezug auf die Entwicklung von Kindern eine wichtige Rolle spielen. Förderung und Unterstützung sind natürlich total wichtig. In der Familie ebenso wie in Kita und Schule.
Und eben auch die exekutiven Funktionen haben sich als ganz entscheidend erwiesen!
In einem der Artikel aus der Aufsatz-Sammlung habe ich gelesen, dass Studien nachgewiesen haben, dass die exekutiven Funktionen den Schul- und Lebenserfolg sogar stärker bestimmen als die Intelligenz! Wow! 😲
Aber jetzt mal Butter bei die Fische: Was SIND denn nun eigentlich genau diese „exekutiven Funktionen“?
In der wissenschaftlichen Fachliteratur werden sie meist in 3 Teilbereiche unterteilt
1. Inhibition (Impulshemmung) 🛑
2. Arbeitsgedächtnis und 🗒📼
3. kognitive Flexibilität ✨.
Weil mein Artikel mit jeder Zeile länger wird (es fällt mir immer so schwer mich kurz zu fassen 😏), greife ich mal nur einen der 3 Teilbereiche heraus, die Inhibition.
Die kann man sich ein bisschen wie ein inneres „Stopp!“-Schild 🛑 vorstellen, das uns daran hindert jedem unserer Impulse sofort nachzugehen und mit dessen Hilfe wir unsere Bedürfnisse aufschieben können.
Kinder, die Schwierigkeiten in der Inhibition haben, kennen wir alle:
Das sind z.B. Kinder, denen es bei Gesprächsrunden wie im Morgenkreis total schwer fällt den anderen zuzuhören und abzuwarten, bis sie an der Reihe sind. Sie unterbrechen oft, sind häufig motorisch unruhig, zappeln also z.B. viel herum (was natürlich auch andere Ursachen haben kann) und sind oft in ihrem eigenen Redefluss schwer zu stoppen.
Beim z.B. Memory-Spielen greifen sie schon nach einer Karte, obwohl sie noch gar nicht dran sind oder sagen den anderen Kindern vor, wo die gesuchte Karte zu finden ist.
Die gute Nachricht: Inhibition kann man trainieren! 💪👍
Wir können unsere Impulse nämlich nicht von Anfang an regulieren!
Darum haben wir in der Regel auch für eine 2-Jährige, die uns ständig unterbricht, mehr Geduld und Verständnis als wenn das ein 6-Jähriger immer wieder tut.
Und wir sollten die Inhibition von Kindern unbedingt fördern!
Denn aus der Forschung ist ja inzwischen sehr gut bekannt, wie wichtig sie für ein erfolgreiches Leben (wie gesagt: nicht nur in Bezug auf Leistung gedacht!) und damit dann auch für ein glückliches Leben ist.
Und WIE kann man die Inhibition fördern? 🤔🧐
Auch dazu hat die Forschung viel herausgefunden 🙂.
Und da kommt gleich die nächste gute Nachricht:
Die Inhibition lässt sich besonders gut spielerisch und in Bewegung fördern! 😃
Super sind z.B. Musikstopp-Spiele und Kinderspiel-Klassiker, wie „Feuer, Wasser, Sturm“, oder Stuhltanz.
Denn bei solchen Spielen ist es ganz oft so, dass die Kinder auf ein Signal hin einen bestimmten Impuls hemmen 🛑 und eine bestimmte Handlung ausführen sollen.
Beim Musikstopp-Spiel müssen sie z.B. in der Bewegung einfrieren.
Bei „Feuer, Wasser, Sturm“ dürfen sie nicht mehr weiterrennen, wenn sie eines der Signalwörter gehört haben und müssen dann z.B. auf eine Bank steigen oder so…
Auch klassische Würfelspiele wie „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Malefiz“ sind super geeignet.
Nachdem ich zum 3. Mal rausgeschmissen wurde, muss ich dem Bedürfnis, das Spiel einfach in die Ecke zu schmeißen, widerstehen 🛑. Gar nicht so leicht 😅.
Es lohnt sich also ein bisschen in der eigenen Erinnerung zu kramen und zu überlegen, welche Spiele wir so in unserer eigenen Kindheit gespielt haben und in welchen dieser Spiele die Inhibition drin steckt. Da findet man echt einiges! 😊👍
Wenn du direkt was zum Loslegen suchst, schau doch mal in unseren Vorschul-Kalender. Darin ist seit dieser Woche ein Spiel aus der Piratenreise für dich freigestellt, mit dem du nicht nur die Inhibition, sondern auch die beiden anderen Teilbereiche der exekutiven Funktionen fördern kannst – samt Material-Vorlage zum Ausdrucken. Außerdem findest du dort für dich hinterlegt auch noch einen passenden Audio-Input zum Monatsthema plus eine Anregung, wie du die Eltern darüber informieren kannst, hinterlegt. 😊
Wenn du dir unsere digitale Schatzkiste schon geangelt hast, werden die neuen Inhalte immer automatisch für dich freigeschaltet, du musst dich nur in dein elopage-Nutzerkonto einloggen oder die Piratenreise App öffnen).
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Die Inhalte des Monatsthemas im Vorschul-Kalender sind nämlich immer nur in dem jeweiligen Monat freigeschaltet und wechseln, sobald der Monat wechselt.
Außer dem Vorschul-Kalender findest du auch noch viele andere tolle Inhalte in der Schatzkiste.
Hier kannst du sie dir kostenlos an Land ziehen (kostet dich keinen Cent 😁):
* die Boots-/Steuermann-Metapher stammt aus den Büchern „Exekutive Funktionen und Selbstregulation. Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis“ von Sabine Kubesch (Hrsg.) und „Förderung exekutive Funktionen. Wissenschaft, Praxis, Förderspiele“ von Laura M. Walk und Wiebke F. Evers